Wie alles anfing - die ersten Jahre ZURÜCK
erzählt vom damaligen Dietramszeller Bürgermeister Michael Häsch
1981 Die
Landwirtschaftsschule Wolfratshausen pflegte schon seit Mitte der 70er-Jahre
Kontakte mit einer ähnlichen Schule in Barbezieux. Bei den Landwirtschaftsschülern aus
Frankreich und Bayern gehörte der Austausch zu den Höhepunkten im jeweiligen
Schuljahr. Der damalige Schuldirektor Kretschmar aus Wolfratshausen stellte ein
buntes Programm zusammen, bei dem ein Besuch regionaler Bauerhöfe nicht fehlen
durfte. Herr Dr. Seitner, der spätere Direktor der Landwirtschaftsschule
Wolfratshausen, führte diese Kontakte weiter.
Barbezieux war damals schon Partnerstadt von Wolfratshausen.
Baignes-Ste.-Radegonde ist eine dörfliche Gemeinde. Die beiden Bürgermeister
waren Kollegen. Das Verhältnis der beiden französischen Kommunen zueinander war
also ähnlich wie das zwischen Wolfratshausen und Dietramszell.
Im Sommer 1981 schlug Herr Dr. Seitner seiner Heimatgemeinde
Dietramszell eine Partnerschaft mit Baignes-Ste.-Radegonde vor. Nach Diskussion
im Gemeinderat sprach man sich eindeutig für die Aufnahme von Kontakten aus.
Dies erfuhr Herr Wagner vom Deutsch-Französischen Studienkreis Wolfratshausen,
der die Landwirtschaftsschüler auf den Frankreichreisen als Reiseleiter
begleitete, da er gut französisch sprach und mit den dortigen Sitten und
Gebräuchen vertraut war. Er sprach in Baignes-Ste.-Radegonde vor, und alsbald
kam die Nachricht, dass ein Kennenlernen sehr gewünscht sei. – Die Delegation
aus Baignes-Ste.-Radegonde meldete sich für Anfang Dezember 1981 in
Dietramszell zu einem ersten Kennenlernen an.
An einem Winterabend Anfang Dezember 1981 kamen Bürgermeister
Pierre-Remy Houssin und mehrere seiner Gemeinderäte in Privatfahrzeugen nach
Dietramszell. Ein Auto war wegen Defekt ausgefallen; nachdem ein Leihwagen gefunden war, kamen auch die restlichen
Franzosen an. Man muss sich vorstellen: Wir konnten kein Französisch, die
Franzosen kein Deutsch. Trotzdem fragten sich die Gäste bis zu meiner Familie
durch und wir erfuhren auch, wie sehr sie von der Fahrt in einer Vollmondnacht
von Holzkirchen durch den verschneiten Wald beeindruckt waren.
Wir hatten ein kleines Besuchsprogramm zusammengestellt, und da zu der
Zeit die Fritz-Baer-Ausstellung in der damaligen Schloßschänke lief, wurde die
Ausstellung ebenfalls ins Programm aufgenommen.
1982 Am 30. Juli 1982 brachen
wir abends zum Gegenbesuch in die Charente auf.
Am nächsten Tag, spätnachmittags, kamen wir in Baignes an. Doch kurz
vorher gerieten wir mit dem Bus in eine Bauern-Demonstration und wurden an der
Weiterfahrt gehindert. Aber schnell merkten die französischen Landwirte, dass
in unserer Reisegruppe viele Landwirte waren. Wir wurden feuchtfröhlich
aufgenommen und konnten etwas später weiterfahren.
In Baignes-Ste.-Radegonde gab es einen herzlichen Empfang. Wir durften
einige Tage die französische Gastfreundschaft und die Umgebung bis zum Atlantik
kennen lernen. Natürlich waren alle Teilnehmer unserer Reisegruppe sehr
beeindruckt. Der Bürgermeister begrüßte uns in deutscher Sprache. Wir stellten
die Ähnlichkeiten zu unserer Gemeinde Dietramszell in Bezug auf Infrastruktur,
Arbeitsplätze und Marktferne fest und waren uns einig, die richtige
Partner-Wahl getroffen zu haben.
Aber zwei Probleme gab es: die fehlenden Sprachkenntnis und die weite
Entfernung.
Helene Obermüller, eine geborene Französin, und ihr Mann Josef
Obermüller, der im 2. Weltkrieg in französischer Gefangenschaft war, haben uns
von Beginn an geholfen. Dazu kam Cilie Dathe, die Französisch im Kloster
gelernt hatte und einige ehemalige Kriegsgefangene in Frankreich, wie Anton
Holzmayer und Hans Rothbauer, um nur einige zu nennen.
In Frankreich war es Albert Kirschner, „Monsieur Albert“, der Deutsch
sprechen konnte. Er war 1920 im lothringischen Groß-Rederching an der
deutsch-französischen Grenze geboren. Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges war der
19-jährige, wie Tausende anderer Bewohner dieses Gebietes auch, evakuiert
worden. Kirschner kam nach Baignes, heiratete dort seine Frau Renée und blieb
fortan als Landwirt und Winzer in der Charente. Albert Kirschner war in Baignes
das, was Fabian von Xylander in Dietramszell wurde: Antrieb und Motor dieser
Partnerschaft.
Albert Kirschner verstarb 78-jährig am 3.4.1998.
1983 In den nächsten Monaten wurde im Gemeinderat
diskutiert und geplant: Wie kann man so eine Partnerschaft finanzieren? Wie
organisieren? Wer kümmert sich um das Besuchsprogramm? Wer besorgt die
Übernachtungsmöglichkeiten?
Hans Seebauer, der damalige Rektor des Volksschule Dietramszell, und einige
Lehrkräfte waren von der Freundschaft mit Baignes-Ste.-Radegonde ebenfalls
begeistert und sprachen bereits über einen Schüleraustausch.
Dann einigte man sich, die offizielle Partnerschaftsgründung mit
Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde in Dietramszell und in
Baignes-Ste.-Radegonde auf Sommer 1984 festzulegen.
1984 Vom 12. bis 16. Januar fuhren ca. 40
Personen einschließlich der Baiernrainer Blasmusik zur Einweihung der neuen
Mehrzweckhalle nach Baignes-Ste-Radegonde. Es war eine sehr anstrengende aber
wunderbare Reise.
Jetzt begann erst recht das Planen und Organisieren für die offizielle
Partnerschaftsgründung.
Ab Mai 1984 gehörte Fabian Ritter von Xylander zum Gemeinderat. Er
übernahm zusammen mit Andreas Haindl einiges an Organisation für dieses große
Fest. Durch die hervorragenden französischen Sprachkenntnisse von Fabian von
Xylander hatten wir auch ein großes Problem weniger: wir wurden verstanden und
konnten verstehen, was unsere französischen Freunde schrieben oder sagten.
Die Partnerschaftsbesiegelung fand am Pfingst-Samstag, den 9.7.1984 auf
dem Schulhof in Dietramszell statt.
Ein besonderer Höhepunkt bei der Unterzeichnung der
Partnerschaftsurkunde in Dietramszell war der Zug der Delegationen zur Kirche
und das von Franzosen gespielte Fanfarensignal am Kriegerdenkmal bei
untergehender Abendsonne.
Eine Abordnung der „Pompiers“ nahm am 10.Juli am 111-jährigen
Gründungsfest der Dietramszeller Feuerwehr teil.
Die vielen Presseberichte brachte auch das Bayerische Fernsehen auf die
Idee, einen Film über die Entstehung der Partnerschaft zwischen Dietramszell
und Baignes-Ste-Radegonde zu drehen. Kameramann Ludwig Wüchner aus Thankirchen
drehte unter der Regie von Peter Zimmermann „Rendez-vouz zwischen Gamsbart und
Baskenmütze“.
Vom 28.9. bis 1.10.1984 fuhren 43 Bayern nach Baignes zur Gegenzeichnung der Partnerschaftsurkunde.